Rat sollte bei sich selbst mit dem Sparen anfangen

Der Große Sitzungssaal im Rathaus ist inzwischen in die Jahre gekommen. Der Besucherraum atmet noch den Geist der 1950er und es knarzt und knackt an vielen Stellen. Doch in einer Zeit, in der wir die Gebühren in der Stadtbibliothek erhöhen und mit der Zweitwohnungssteuer sogar eine komplett neue Abgabe einführen, können wir nicht 210.000 Euro ausgeben, damit wir Ratsmitglieder bequem sitzen. 

Das Rathaus, erbaut zwischen 1894 und 1900 vom damaligen Stadtbaurat Ludwig Winter, und auch der Große Sitzungssaal haben in den zurückliegenden 120 Jahren viele Veränderungen erlebt – innen wie außen. Traditionell haben dort nicht nur wichtige Teile der Verwaltung ihren Sitz, sondern auch die Politik. Die Ratsfraktionen sind größtenteils im ersten Obergeschoss untergebracht, auf diesem liegt auch der Große Sitzungssaal. Dieser diente seit seiner Einweihung im Jahr 1900 als Sitz der Stadtverordnetenversammlung, später des Stadtrates. Während die Sitzordnung zunächst auf die Fensterfront ausgerichtet war, wurde die Ansicht nach dem Zweiten Weltkrieg um 90 Grad gedreht. Während des Krieges war auch der große Dreiecksgiebel oberhalb des Sitzungssaals zerstört und später nicht wieder aufgebaut worden. 

Seit ziemlich genau einem Jahr können die Ratssitzungen aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Hygiene- und Abstandsregeln nicht mehr im Großen Sitzungssaal stattfinden. Wir sind nun in die Stadthalle ausgewichen. Wann die Rückkehr erfolgen kann, steht noch in den Sternen. Eines ist jedoch klar: Selbst wenn Corona in den nächsten Monaten überwunden wird und wir zu unserem alten Leben zurückkehren können, bleiben die großen finanziellen Verwerfungen. Und ich befürchte, dass damit neue Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sein werden. 

Die Sanierung des Großen Sitzungssaals ist dann noch mehr aus der Zeit gefallen und gehört dringend überdacht. Denn ansonsten sendet der Rat ein merkwürdiges Signal: Kostensenkungen sind wichtig, nur nicht bei uns und unseren Projekten.