Braunschweig und die Wiedervereinigung

Am heutigen 3. Oktober jährt sich die deutsche Wiedervereinigung bereits zum 32. Mal. Für viele Braunschweigerinnen und Braunschweiger sind die innerdeutsche Teilung und die Trennung von Ost und West nur noch dunkle Erinnerungen – wenn überhaupt. Ganz selbstverständlich reisen wir nach Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern. Ganz selbstverständlich fahren wir ohne Grenzkontrollen nach Berlin. So, als wenn nie etwas gewesen wäre. 

Für ein einzelnes Menschenleben sind 32 Jahre eine lange Zeit, doch für die Menschheit nur ein kleiner Augenblick. Deshalb lohnt es sich zurückzublicken. Denn gemeinsam müssen wir jeden Tag daran mitarbeiten, dass weder das Nazi-Regime als Anlass für die deutsche Teilung noch der Unrechtsstaat DDR jemals wieder möglich werden. 

Mit dem 3. Oktober 1990 verbinde ich eine ganz persönliche Erinnerung: Ich sah mit 8 Jahren das erste Mal meinen Vater weinen. Wir wohnten damals in Broitzem, es war der Vorabend der Wiedervereinigung und im Fernsehen lief die Live-Übertragung aus Berlin. Vor dem Reichstag fand die zentrale Gedenkfeier statt. Wichtige Wegbereiter der Einheit waren zu sehen: Helmut und Hannelore Kohl, Lothar de Maizière, Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und Willy Brandt. Und bei uns zu Hause mein weinender Vater. Ich wusste schon als kleiner Junge, dass dies ist ein ganz besonderer Moment. 

Auch für die Stadt Braunschweig war die Wiedervereinigung ein Glücksfall. Eben noch lag sie im Zonenrandgebiet und damit quasi im Niemandsland zwischen der Bundesrepublik und der DDR, zwischen Ost und West, zwischen Nato und Warschauer Pakt. Seit dem 3. Oktober 1990 ist Braunschweig in der Mitte Europas. Wir sind die forschungsintensivste Region unseres Kontinents, beheimaten Weltmarkführer und so genannte „hidden champions“. Über Nacht kam diese Entwicklung sicherlich nicht, sie ist Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. 

Quasi über Nacht hingegen kamen bereits am Wochenende nach dem Mauerfall am 9. November die Trabis in unsere Stadt. Erst kürzlich sind mir die Videoaufnahmen vom 11. November 1989 in Braunschweig in die Hände gefallen. Im Rathaus wurde eine provisorische Ausgabestelle für die damaligen 100 D-Mark Begrüßungsgeld eingerichtet. Auf dem Rathausvorplatz – dem heutigen Platz der Deutschen Einheit – bildeten sich lange Schlangen, ebenso vor den wichtigen Geschäften in der Innenstadt. Der Bohlweg war unwahrscheinlich belebt. Überall nur fröhliche, erleichterte Gesichter. Und doch dürfte niemand geahnt haben, dass knapp elf Monate später die deutsche Einheit gefiert werden konnte. 

Die Wiedervereinigung bleibt – auch noch in 100 und 1.000 Jahren – ein Glücksfall in der Geschichte, ein Geschenk an uns Deutsche. Wir müssen damit umzugehen wissen. 

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